Texte zum Wirtschaftsleben

Bedingungsloses Grundeinkommen? Arbeit? Brüderlichkeit? 

Bernhard M. Huber, Dezember 2024

Angeregt durch den Artikel zum bedingungslosen Grundeinkommen (bGE) von Johann Eike Benesch im Rundbrief zur Dreigliederung Nr.35 soll dieses Thema nachfolgend noch aus anderen Blickwinkeln betrachtet werden. Vor allem die Bearbeitung der Frage Was ist Arbeit? kann Missverständnisse der bGE-Befürworter aufzeigen. 

Aber hier gleich mal eine Antwort zum bGE aus einer wohl ganz unvermuteten Richtung:

Bedingungsloses Grundeinkommen ist Ausbeutung

Wir haben es beim bGE mit der gleichen Problematik zu tun wie bei Zins und Rendite: Das leistungslose Einkommen. Was von den Befürwortern nämlich nicht gesehen wird, ist, dass dieses leistungslose Einkommen von anderen Menschen erwirtschaftet werden muss. Um es auf den Punkt zu bringen: Wer leistungsfähig ist und dennoch Geld nimmt wofür er nichts leistet, beutet jene aus, die dafür mehr leisten müssen. Ich nenne das Ausbeutung – und jede Ausbeutung führt letztlich zum Krieg. Mehr zur Zins-und-Rendite-Problematik in meinen Vorträgen: Soziale Dreigliederung und Brüderliche Wirtschaft.

Wenn die bGE-Befürworter zur Begründung ihres Vorhabens nun aber auch noch Begriffe aus Texten zur Dreigliederung u.a. von Rudolf Steiners heranziehen, wie etwa Trennung von Arbeit und Einkommen oder gar Brüderlichkeit (siehe Rundbrief zur Dreigliederung Nr.9), dann weist das auf Missverständnisse bezüglich des Begriffs Arbeit und auf einen regelrechten Missbrauch von Brüderlichkeit hin. Wieso das so ist soll im Folgenden geklärt werden.

Was ist Arbeit?

Viele der Aussagen, welche in der Dreigliederungsliteratur zum Thema Arbeit gemacht werden, kann man nur verstehen, wenn man den jeweiligen Gesamtkontext mit einbezieht. Beim Studium der Texte Rudolf Steiners wird man feststellen, dass der Begriff Arbeit mit recht unterschiedlichen Bedeutungen belegt ist, wie etwa:Arbeitsrecht, Arbeitsfähigkeit, Arbeitskraft, Arbeitseinkommen und ArbeitserzeugnisseDaraus ergibt sich die unbedingte Notwendigkeit, dass ein jeder, der über Arbeit spricht oder schreibt, klar und eindeutig zum Ausdruck bringt, was er eigentlich mit Arbeit genau meint. Klären wir also, wie die drei wohl meistzitierten Aussagen zu Arbeit zu verstehen sind:

Arbeit gehört ins Rechtsleben

Arbeit kann man nicht bezahlen

Trennung von Arbeit und Einkommen

Dabei hilft es – wie so oft – den Begriff Arbeit durch die Brille der Dreigliederung zu betrachten: 

A) Arbeit als Geistesfrage (Geistesleben)

Die Entwicklung all unserer individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten ist im Rahmen von Erziehung, Schule, Ausbildung, Studium etc. eine rein geistige Leistung. Aus dieser Leistung ergibt sich bei jedem Menschen sowohl die physische als auch die geistige Arbeitsfähigkeit. Hier können wir nun die Aussage Arbeit kann man nicht bezahlen ansetzen: Wenn wir nämlich Arbeit als Arbeitsfähigkeit verstehen, dann ist unmittelbar klar, dass diese nicht bezahlt, nicht verkauft, ja nicht einmal verschenkt werden kann! Sie ist eine individuelle, geistige Leistung, welche untrennbar mit dem individuell befähigten Menschen verbunden ist – Fähigkeit ist keine Ware!

B) Arbeit als Rechtsfrage (Rechtsleben)

Bei der Aussage Arbeit gehört ins Rechtsleben kann nur und ausschließlich das Arbeitsrecht gemeint sein, welches – wie jedes andere Gesetz – der demokratischen Entscheidung unterliegt und somit für die anderen Lebensbereiche, besonders für das Wirtschaftsleben, bindend ist: Zur Herstellung eines Produktes ist ein Rechtsverhältnis zwischen Arbeiter und Unternehmer notwendig… Die Art, wie, und das [Zeit]Maß, in dem ein Mensch für den Bestand des sozialen Organismus zu arbeiten hat, müssen aus seiner Fähigkeit heraus und aus den Bedingungen eines menschenwürdigen Daseins geregelt werden (1). Dieses Rechtsverhältnis ist der äußere, gesetzliche Rahmen aller Verträge zwischen Unternehmer und Mitarbeiter und bekommt durch konkrete Arbeitsverträge (bzw. Teilungsverträgesiehe Wirtschaftsleben) seine innere, jeweils individualisierte Bedeutung. Dass das Arbeitsverhältnis die Produktpreise beeinflusst – und nicht umgekehrt! – muss zusätzlich betont werden: So muß der Warenwert davon abhängig werden,welche Art und welches Maß von Arbeit zum Hervorbringen der Ware nach der Rechtsordnung aufgebracht werden dürfen. (1)

Arbeit gehört ins Rechtsleben bezieht sich also ausschließlich auf den gesetzlichen Arbeitsschutz, welcher quasi automatisch für jede Form von Verträgen zwischen Arbeiter und Unternehmer gilt. (2)

Arbeit gehört ins Rechtsleben so zu interpretieren, dass die Entlohnung der Arbeiter ins Rechtsleben gehört, also vom Staat erledigt werden muss, ist vollkommen abwegig. Denn eine Bezahlung durch den Staat macht den Arbeiter zum einen von den stets unsicheren, politischen Verhältnissen (siehe Renten) und nicht von den Erzeugnissen seiner Arbeit abhängig. Zum anderen ist eine solche Gleichschaltung ein eklatanter Eingriff in die Individualität der Menschen und macht sie zu Marionettenbürgern. Kurz: „Mein Gehalt kann nicht demokratisch bestimmt werden, das mache ich mit meinem Chef aus!“

C) Arbeit als Wirtschaftsfrage (Wirtschaftsleben)

Als volkswirtschaftliche Werte gelten alle konkreten Arbeitserzeugnisse, welche in Kombination von physischen und geistigen Fähigkeiten entstehen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind aus dem Rechtsleben gegeben, die inhaltliche Ausgestaltung findet aufgrund der Fähigkeiten des Mitarbeiters statt. Die erzeugten Waren – und nur diese – sind die Basis des Arbeitseinkommens: Aus dem Gegenwert dieser Waren erhält der Arbeiter einen Anteil, der Arbeitgeber den anderen. (1) Dies entspricht der Idee des Teilungsvertrages. Die Aussage Arbeit ist keine Ware meint, dass die Fähigkeit zur Warenerzeugung selbst natürlich keine Ware ist! Die Arbeitsfähigkeit kann weder weggegeben werden, noch verbraucht sie sich wie Ware. Verbrauchen bzw. erschöpfen kann sich allerdings die körperliche bzw. geistige Arbeitskraft. Sie muss sich erholen können (Arbeitsrecht!), auch um die Teilnahme am allgemeinen Geistesleben zu ermöglichen. (3)

Beispiel: Ich kann meinem Bäcker zwar das Brot abkaufen, aber nicht seine Fähigkeit Brot zu backen, ich kaufe nicht ihn, sondern sein Brot. Ebenso unmittelbar wird deutlich: Wenn der Bäcker einen neuen Mitarbeiter aufgrund seiner Fähigkeiten einstellt, dann kann er ihn nicht nach diesen Fähigkeiten bezahlen, sondern nur auf Basis der Brotmenge, die insgesamt in der Bäckerei hergestellt werden. 

Damit ist die Trennung von Arbeit und Einkommen vollzogen, wenn Arbeit als Arbeitsfähigkeit verstanden wird! Würden wir diese Trennung nicht machen, hieße das, dass wir den Menschen selbst kaufen und bezahlen, der ja mit seinen Fähigkeiten untrennbar verbunden ist. So gesehen ist auch der Begriff Arbeitsmarkt bedenklich, weil er wie ein Sklavenmarkt wirkt, wenn wir dort Menschen (Mitarbeiter) einkaufen. Diese Situation verschärft sich noch dadurch, dass die Lohnkosten üblicherweise genauso als Betriebskosten behandelt werden wie die Kosten aller zugekauften Materialien: Der Mensch kommt vom Arbeitsmarkt, die Rohstoffe vom Rohstoffmarkt, die Energie vom Energiemarkt etc. Zudem werden Betriebskosten immer unter der Prämisse behandelt: Je niedriger, desto höher der Gewinn. Diese menschenunwürdige Situation wird kaum beachtet – sie ist zur Gewohnheit geworden.

Um es ganz deutlich zu machen: Trennung von Arbeit und Einkommen bedeutet nicht, dass der, der arbeitet, seinen Lohn vom Staat und nicht von seinem Unternehmen bekommen soll. Sie bedeutet: Bezahlt wird das Arbeitsergebnis, nicht die Arbeitsfähigkeit. Jede andere Schlussfolgerung läuft ins Leere.

Die oben beschriebene „Sklavenhaltung“ löst sich im brüderlichen Wirtschaftsleben der Dreigliederung durch den bereits erwähnten Teilungsvertrag auf. Kurz: Der Lohn für Unternehmer und Mitarbeiter ergibt sich aus dem Erlös der verkauften Produkte – er ist nicht Teil der Betriebskosten! Das erfordert allerdings ein ganz anderes, neues Denken.

Was ist Brüderlichkeit?

Der Begriff der Brüderlichkeit ist in der Dreigliederung fest mit dem Wirtschaftsleben verbunden. Sie entwickelt sich als freie Geisteshaltung, wenn die Vernunft den Egoismus zurückdrängt.

Brüderlichkeit … umfasst die soziale Fähigkeit, ganz und gar von sich absehen zu können. (6)

Denn von der menschlichen Brüderlichkeit … können wir nur dann sprechen,wenn wir den andern Menschen in uns tragen wie uns selber. (1)

Brüderlichkeit ist also die soziale Fähigkeit des Einfühlens, des Hineindenkens in andere. Da wir Menschen immer in Gemeinschaften hineingeboren werden, ist sie grundsätzlich in uns angelegt, muss aber entwickelt und gefördert werden. Dann können wir sie als notwendige Grundlage für unsere gemeinsame Weiterentwicklung erkennen. Brüderliches Handeln ist weit entfernt von moralisierender Oberflächlichkeit.

Brüderlichkeit findet im Sozialen Hauptgesetz von Rudolf Steiner eine praktische Verwirklichung:

Das Heil einer Gesamtheit von zusammenarbeitenden Menschen ist umso größer, je weniger der einzelne die Erträgnisse seiner Leistungen für sich beansprucht, das heißt, je mehr er von diesen Erträgnissen an seine Mitarbeiter abgibt, und je mehr seine eigenen Bedürfnisse nicht aus seinen Leistungen, sondern aus den Leistungen der anderen befriedigt werden.(4)

Das Verstehen der eigenen Leistung als Dienst am Nächsten und der Annahme fremder Leistungen für sich, setzt einen Kreislauf des gemeinsamen Wohlergehens in Gang. In diesem Geben und Nehmen kann Brüderlichkeit gedeihen.Das ist aber keine Frage der Moral, sondern der Vernunft: 

Wer glücklich sein will, und das will jeder, der muss sich vernünftigerweise zugunsten anderer verhalten. (5) 

Was Platon hier mit einem einfachen Satz zeigt, ist die Verbindung von Brüderlichkeit und Vernunft. Brüderlich handeln ist zugunsten anderer handeln. Brüderlichkeit ist eine Idee der Vernunft, sie stellt eine fortwährende Verbindung zwischen dem Geistigen und dem Physischen her.

GA23 Kernpunkte der soziale Frage, Rudolf Steiner, 1919
2 Welche Aufgaben der Staat hat und welche nicht, siehe auch:  Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen, W. von Humboldt, 1792: Er nennt z.B. die Schutzfunktion des Staates „negatives Wohl“ im Gegensatz zum „positiven Wohl“ um welches der Mensch sich selbst kümmern muss und wo sich der Staat herauszuhalten hat.
3 GA330 Vorträge über das soziale Leben, Rudolf Steiner, 1919
GA34 Geisteswissenschaft und soziale Frage, Rudolf Steiner, 1906, aus: Gesammelte Vorträge 1903 - 1908
5 Platon (sinngemäß) in: Handeln zugunsten anderer, Peter Stemmer, 2000
Von Vor dem Sturm, Rainer Schnurre, Verlag CH. Möllmann

 

 

 

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