Immer wenn eine Regierung oder eine andere mächtige Institution etwas vom Volke wissen will, wird eine sogenannte repräsentative Umfrage durchgeführt. Die Umfragemethodik beruht auf einem statistischen Verfahren, welches normalerweise zur Qualitätskontrolle in der Massenproduktion zur Anwendung kommt.
Für eine Umfrage wird eine bestimmte Anzahl von Menschen zufällig ausgewählt (Stichprobe) und befragt. Beispielsweise interessiert man sich für die Meinung der Bürger bezüglich Regierungsarbeit, Impfung, Klima oder dafür, welche Partei der Bürger wohl gedenkt zu wählen. Die Antworten aus dieser Stichprobe gelten dann als Antwort des gesamten Volkes (Grundgesamtheit).
Nun gibt es aber für die Aussagekraft von Stichproben ein paar Bedingungen. Um diese zu verstehen nehmen wir als Kontrollbeispiel einen Schraubenhersteller. Er stellt pro Tag, sagen wir, 100.000 Schrauben einer Sorte her (Grundgesamtheit). Da ein Qualitätsprüfer nicht alle Schrauben auf ihre Genauigkeit prüfen kann, entnimmt er eine Stichprobe und prüft nur diese.
Und nun kommen wir zu den Bedingungen unter denen aus der Qualität der Schrauben-Stichprobe auf die Qualität der Schrauben-Grundgesamtheit geschlossen werden kann und prüfen, ob diese Bedingungen auch bei einer repräsentativen Umfrage bei Menschen erfüllt sind. Drei Bedingungen sollen hier genügen:
Bedingung 1: Die zu untersuchende Grundgesamtheit muss homogen sein: Bei einer Menge Schrauben, welche alle von ein und derselben Maschine hergestellt wurden, kann man eine Homogenität sicher unterstellen. Bei Menschen nicht. Jeder Mensch ist anders! Wir sind – gottseidank – inhomogen!
Bedingung 2: Zufällige Auswahl der Stichprobe: Die Zufälligkeit ist bei Schrauben relativ leicht zu bewerkstelligen. Da die Gesamtheit homogen ist, wird jede Stichprobe zur gleichen Aussage führen. Bei Menschen kann das nicht funktionieren, denn wegen der o.g. Inhomogenität würde jede zufällige Stichprobe anders ausfallen, also mit ganz anderen Menschen besetzt sein und damit jeweils zu anderen Aussagen führen. Eine „menschliche Stichprobe“ kann also gar nicht repräsentativ sein.
Bedingung 3: Bei der Messung darf sich die Stichprobe nicht verändern: Was bei den Schrauben die Prüfung ihrer Maße ist, ist bei den Menschen die Befragung. Man darf als gesichert annehmen, dass die Methoden zur Schraubenmessung so ausgefeilt sind, dass sich eine Schraube durch die Messung nicht verändert. Was aber passiert, wenn wir einem Menschen eine Frage stellen? Die Antwort hängt von vielen Faktoren ab: Wie fühlt sich der Befragte zum Zeitpunkt der Frage und welche Gefühle entstehen durch die Frage? Findet er die Frage blöd, bringt sie ihn in Stress, interessiert sie ihn überhaupt?
Es gibt sicher noch weitere, insbesondere unbewusste Einflussfaktoren auf das Antwortverhalten. Kurzum: Die Frage löst individuelle Gefühle aus, der Befragte verändert sich allein durch die Frage und würde zu einem anderen Zeitpunkt wieder ganz anders reagieren – er ist eben keine Schraube.
Fazit 1
Der Vergleich der Umfrageergebnisse verschiedener Institute zu den Bundestagswahlen 2021 zeigt, dass sie nicht nur untereinander stark differieren, sondern auch vom tatsächlichen Wahlergebnis teilweise deutlich abweichen. Man kann also niemals von einer bestimmten Anzahl von Menschen auf alle Menschen schließen! Erst wenn man wirklich alle gefragt hat, hat man ein vollständiges Bild.
Natürlich wissen das die Umfrageinstitute und ihre Auftraggeber auch. Warum machen sie es dann trotzdem? Nun, Umfrageergebnisse dienen immer der Rechtfertigung von Entscheidungen. Dabei ist es egal, ob sie positiv oder negativ für den Auftraggeber ausfallen. Umfragen sind damit ein besonderes Mittel zur Manipulation.
Fazit 2
In einer echten (Basis-)Demokratie machen also repräsentative Umfragen keinen Sinn.
Daraus ergibt sich aber nun ein grundsätzliches Problem in einer Demokratie: Kann jeder Bürger zu jedem Thema eine fundierte Antwort geben? Hat er die notwendigen Kenntnisse? Vielfach wohl nicht! Wird er nicht alleine schon zeitlich überfordert, wenn er täglich über irgendetwas abstimmen soll? Wahrscheinlich! Das bedeutet: Wir suchen eine Vorgehensweise, welche dem Bürger gerecht wird und dem Ideal der Basisdemokratie möglichst nahe kommt. Kurz gefasst läuft dies auf ein Verfahren hinaus, welches besonders wichtige und komplexe Entscheidungen für den Bürger nicht-manipulativ(!) vorbereitet.
Ein möglicher Diskussionsansatz ergibt sich eventuell aus dem Artikel Basisdemokratie – Alle bestimmen bei allem mit?
Liebe Leser, wie sehen Sie das? Schreiben Sie mir: Bernhard.Huber@soziale3gliederung.com
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