Wie kann ich bei meinen Mitmenschen das Interesse für die soziale Dreigliederung wecken?
Die wichtigste Quelle für die folgenden Ausführungen ist die Schrift Schulungskurs für Redner, GA338, von Rudolf Steiner. Hier findet man nicht nur konkrete Hinweise für Dreigliederungs-Redner, sondern auch solche, die für jedes Dreigliederungsgespräch hilfreich sein können.
Es gibt wohl viele Fragen die man beantwortet haben möchte, bevor man meint, über die Dreigliederung reden zu können. Beispielsweise: Wie und wann überhaupt ein Gespräch über Dreigliederung beginnen? Was ist eigentlich meine Motivation? Welches Wissen und welche Fähigkeiten muss ich haben? Welche Verantwortung übernehme ich? Welche Reaktionen der Zuhörer kann es geben? – und anderes mehr.
Vielleicht gelingt es nachfolgend zumindest das Umfeld dieser Fragen zu betrachten.
Was muss ich für eine Gespräch über die Dreigliederung wissen?
Diskussionen über konkrete Probleme oder die ganz allgemeine Frage wie wir eigentlich leben wollen, bieten in aller Regel die Möglichkeit die Ideen der Dreigliederung ins Gespräch zu bringen. Dazu gehört Mut, aber natürlich auch ein gutes Grundwissen über die Dreigliederung.
Natürlich gibt es unter den Dreigliederern unterschiedlich tiefes und breites Wissen, aber es kann und darf keine Gurus geben, die alles erklären können und genau wissen „wie man es macht“: Die Seelenverfassung der Menschen ist nicht so, daß sie für das öffentliche Leben etwa einmal sagen könnten: Da seht einen, der versteht, welche sozialen Einrichtungen nötig sind; wie er es meint, so wollen wir es machen. (1)
Die Kenntnis der Kernpunkte1 darf aber als Voraussetzung gelten, um sich ein sachgemäßes Urteil bilden zu können und um entsprechend gesprächsbereit zu sein. Das Studium aller weiteren Schriften, besonders die zur sozialen Frage, ist aber für den Dreigliederer eine Dauerbeschäftigung. Wer so vorgeht, der wird die Dreigliederung als lebenswerte Vision verstehen und mag einen innerlichen Seelen-Auftrag spüren, mit anderen darüber zu reden. Bei Steiner kommt das wie folgt zum Ausdruck:
[…] so sollen wir uns zunächst durchaus bewußt werden, ganz bewußt werden, daß wir nicht weiterkommen, ohne diese zwei Grundkräfte unserer Seele auszubilden: erstens aus einer wirklichen Liebe zur Sache heraus, zweitens aus einer einsichtsvollen Menschenliebe heraus zu sprechen. Seien Sie sich klar darüber: Wenn diese zwei Bedingungen nicht vorhanden sind oder wenn sie etwa ersetzt sind durch andere, sagen wir durch Ehrgeiz oder Eitelkeit, so werden Sie noch so logische Urteile den Leuten vortragen können, Sie werden noch so klug sprechen können, und Sie werden doch nichts erreichen. (2)
Mit dem folgenden Zitat wird klar, dass man für ein Verständnis der Dreigliederung immer auch vom konkreten, praktisch Erlebbaren ausgehen muss:
Bei Dingen, die der labilen Wirklichkeit angehören, an der Menschen beteiligt sind, muß man von der […] Erfahrung ausgehen, nicht von der Verstandeslogik, weil sich immer von diesem oder jenem Standpunkt aus tatsächlich für eine Sache gleich viel dafür und dawider sagen läßt. Nur vom Standpunkt der Erfahrung aus lassen sich diese Dinge beurteilen. Wir haben gerade deshalb so mannigfaltige und einander widersprechende sozial-politische Anschauungen in der neueren Zeit bekommen, weil die Leute, die sie aufgestellt haben, nicht von der Erfahrung, von der Beobachtung der Verhältnisse ausgegangen sind und nicht aus dieser heraus geurteilt haben. (2)
Und immer wieder wird betont, dass man aus seinem persönlichen Empfinden und eigenen Urteil heraus über die Dreigliederung spricht und sie nicht wie eine angelesene Theorie zitiert:
Und das ist es, was ich Ihnen besonders ans Herz legen möchte: Wenn es Ihnen nicht gelingt, den theoretischen Menschen abzulegen, bevor Sie nun hinausziehen, so werden Sie nichts erreichen. Sie müssen den theoretischen Menschen ablegen, müssen aus der Wirklichkeit heraus versuchen zu sprechen. Das mag besser oder schlechter gelingen, darauf kommt es nicht an. Aber darauf kommt es an: auf das Sprechen aus wirklichen Grundlagen heraus. […] Denn wenn man aus dem eigenen Urteil seine Worte beflügeln läßt, kann man etwas erreichen - nicht, wenn man nur nachspricht. (2)
Habe ich als Dreigliederer eine besondere Verantwortung?
Wenn man die oben erwähnte Liebe zur Sache und zu den Menschen empfindet, so mag sich daraus auch ein gewisses Verantwortungsgefühl entwickeln, welches einen motiviert mit anderen über die Dreigliederung zu sprechen. Steiner hat da gegenüber den Rednern, welche er ausgebildet hat, ein recht strenge Sicht:
Sie müssen sich ganz stark die Tragweite desjenigen, was Sie tun, vor die Seele stellen. Sie müssen sich ungefähr sagen: Ich habe etwas den Leuten beizubringen, was, wenn es bei ihnen einschlägt, wirklich als das einzige Mittel figurieren wird, die Welt zum Aufstieg zu bringen, während überall um uns herum die Niedergangskräfte sind. (2)
Dieser Schlüsselsatz gilt aber für jeden Dreigliederer:
Das Wichtigste ist heute, daß die Dreigliederungsidee in möglichst viele Köpfe hinein kommt. Dadurch kommen wir doch auch am schnellsten zur praktischen Verwirklichung derselben. (2)
Wie reagieren meine Zuhörer?
Es gibt beim Reden über die Dreigliederung eine sehr typische Situation dadurch, dass die Gesprächsteilnehmer oftmals eine ganze Reihe konkreter Probleme bzw. ganze Wunschlisten vorbringen – Frieden, Freiheit, Demokratie usw. – und diese von der Dreigliederung gelöst haben wollen: Wie willst Du das denn machen? Dafür muss man natürlich Verständnis haben!
Der Hinweis, dass die Dreigliederung eine gesamtgesellschaftliche Vision ist, die wir erst verstehen müssen, um die Probleme zu verstehen, klingt zunächst wenig hilfreich. Obwohl auch Steiner davon spricht, dass in die Köpfe der Menschen endlich etwas anderes hinein muß, nämlich eine Totalbetrachtung des Lebens. Und diese Totalbetrachtung des Lebens, die ist es, die am Ende führt zur Dreigliederung des sozialen Organismus. (2)
Aber es gibt ja heute schon einen sehr konkreten Nutzen der Dreigliederung, der gerade auch auf die obengenannten Wunschlisten angewendet werden kann. Beispiel: Wer Frieden will, der muss diesem Wunsch eine Frage gegenüberstellen: „Warum gibt es Krieg?“ Wenn man nun diese Frage aus den Blickwinkeln aller drei Lebensbereiche – Geistesleben, Rechtsleben und Wirtschaftsleben – betrachtet, kommt man zu überraschenden Kriegsursachen in den Bereichen Erziehung und Schule, Mitbestimmung der Bürger, leistungsloses Einkommen u.a.m.
Es geht also darum, auf konkrete Erfahrungen, Probleme, Meinungen der Gesprächspartner einzugehen, diese aber immer durch die Brille der Dreigliederung zu betrachten.
Natürlich werden auch Fragen und Zweifel bzgl. der Umsetzbarkeit der Dreigliederung kommen. So mag ein Gegenargument sein: Müssen erst nicht viele Probleme gelöst werden, bevor die Dreigliederung umgesetzt werden kann? Dazu Steiner:
[Nicht] irgendwelche unbekannten Mächte haben die Not bewirkt, und man muß diese Not zuerst aufheben, bevor man daran gehen kann, in der richtigen Weise zu denken - sondern klarzumachen: weil die Not bewirkt ist vom unrichtigen Denken der Menschen, so kann auch nur das richtige Denken die Aufhebung dieser Not bewirken. (2)
Zweifel und Widerstände
Eine oft gestellte Frage, wie lange es wohl dauert die Dreigliederung umzusetzen, beantwortet Steiner wie folgt – beginnend mit der typischen Phrase:
„Ja, das mag ja alles sehr schön sein mit der Dreigliederung, aber um so etwas einzuführen, dazu bedarf man nicht nur Jahrzehnte, sondern vielleicht Jahrhunderte“. […] Es gibt aber keinen unsinnigeren Einwand als diesen. Denn was in der Menschheit entstehen soll, namentlich an sozialen Einrichtungen, das hängt ja davon ab, was die Menschen wollen und welche Kraft und welchen Mut sie in ihr Wollen hineinlegen. Und was selbstverständlich bei Lässigkeit und Trägheit Jahrhunderte dauern kann, das kann bei Anwendung aktiver Kräfte die allerkürzeste Zeit dauern. (2)
Es soll nicht verschwiegen werden, dass man auf Gesprächspartner treffen kann, welche alles was von Rudolf Steiner kommt, brüsk ablehnen, die Dreigliederung für ein Dogma und die Dreigliederer für eine Sekte halten. Gegen solche Vorurteile zu kämpfen ist wohl meist vergebliche Liebesmühe. Wobei auch Steiner nicht viel vom Verteidigen hält. (2)
Wir dürfen uns keinerlei Illusionen hingeben über die Seelenverfassung der Menschen, zu denen wir sprechen, über die Bedingungen, die dadurch gegeben sind, dass wir eben gerade zu den Menschen der Gegenwart sprechen müssen. (2)
Das Wichtigste ist heute, dass die Dreigliederungsidee in möglichst viele Köpfe hinein kommt. (2)
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(1) Rudolf Steiner, GA23, Die Kernpunkte der sozialen Frage
(2) Rudolf Steiner, GA338, Wie wirkt man für den Impuls der Dreigliederung des sozialen Organismus?
Zwei Schulungskurse für Redner und aktive Vertreter des Dreigliederungsgedankens
Hervorhebungen in den Zitaten sind vom Autor.
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